Tabaktürme im Emsland

Aufgeschrieben im Februar 2005 von Erka Speil


1945 ist der zweite Weltkrieg zu Ende.
Dazu kann ich nur sagen: »Gott sei Dank.«

Die Dörfer unserer Region sind voller Flüchtlinge. Häufig wird Tabak geraucht,
der im eigenen Garten oder Blumentopf angebaut wurde. Devisen sind knapp.
Deshalb macht die Tabakindustrie unseren Landwirten den professionellen Tabak-
anbau schmackhaft. Mit Sicherheit: ein lukratives Geschäft.
Natürlich: Es gibt einige Risiken beim Anbau oder bei der Trocknung – aber die
Investition für die Verglasung der Beete und für die Spezialbauten der Trocknung
sind gering, besonders durch den damals üblichen Tauschhandel. Dafür spielen
die Lohnkosten keine Rolle. Es gibt viele Frauen und Jugendliche – hauptsächlich
unter den Flüchtlingen, die für Naturalien oder wenig Geld arbeiten müssen, um
zu überleben.
Dazu kann ich nur sagen: »Der Hunger des einen ist der Gewinn des anderen.«

Der Tabaksamen wird Ende März in Frühbeete ausgesät, die mit Glas abgedeckt
sind. Später werden die Jungpflanzen vereinzelt. Im Mai werden sie ausgepflanzt.
Die Ernte der reifen Blätter zieht sich bis zum Spätsommer hin.
Dazu kann ich nur sagen: »Tabak anbauen und ernten heißt arbeiten, arbeiten,
arbeiten ...«

Für die Weiterverarbeitung sind spezielle Anlagen erforderlich. Die Tabakindus-
trie richtet sie nach einem Musterplan auf vielen Höfen des Emslandes ein. In
diesen Tabaktürmen werden die geernteten Blätter in einem komplizierten Ablauf
getrocknet. Am Ende des Trockenvorganges wird die Qualität des Tabaks be-
stimmt und der Preis festgelegt.
Dazu kann ich nur sagen: »Die Industrie versucht zu allen Zeiten die Erzeuger-
preise zu drücken.«

Ab 1950 verlassen viele Flüchtlinge die Region, um sich in den wieder belebten
industriellen Ballungszentren eine neue Existenz aufzubauen. Billige Arbeitskräfte
gehen verloren. Der Tabakanbau ist lohnintensiv. Die Kosten steigen. Ab 1955
verfällt der Preis für den deutschen Tabak. Der hiesige Anbau wird eingestellt.
Dazu kann ich nur sagen: »Tabakanbau gehört nach Kuba.«

Viele der Tabaktürme werden umgenutzt. Als Getreidespeicher sind sie beson-
ders gut geeignet.
Dazu kann ich nur sagen: »Erhalte die Zeitzeugen und du machst weniger
Fehler.«


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